Liebe in Sieben Linden

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Mutter
in
Sieben Linden

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

kleine geile Firma

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Leben (Forts.)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

"Vorläufiges Fazit"

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ziel erreicht

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Reize...

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nacht

im Oktober

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nachbarschaft

 

 

 

 

 

 

 

 

Gruppe

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kunst & Gemeinschaft

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ziele

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Arbeitsteilung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Überforderung

 

 

 

 

 

 

 

warten & suchen

Im Herbst 2007 ist Micha W. in einen Bauwagen im "Ökodorf Sieben Linden" gezogen. Was Sieben Linden ist und was man dort alles machen kann, lesen Sie auf www.oekodorf7linden.de oder sehen Sie in seinem Film "Leben unter Palmen".
Hier lesen sie in unregelmäßigen Abständen: Neue und alte Gedanken aus Sieben Linden. Neue Texte kommen oben dazu, unten wächst der Text durch bereits Geschriebenes, das nach und nach hier eingefügt werden soll (dazu müssten Sie möglicherweise auch mal ein bisschen Druck machen, z.B. per Mail oder Postkarte. Die Beschäftigung mit der Vergangenheit fällt ja gerne unter den Tisch, angesichts der immer wieder atemberaubenden Zukunft...).

19. März 
Und dann war es auf einmal März 2010. Die Mutter ist immer noch/wieder in Sieben Linden. Sie war viele Wochen im Krankenhaus und jetzt ist sie wieder in der Windrose. Inzwischen kann sie ihre Hände nicht mehr bewegen und gar nicht mehr laufen, dafür ist sie recht zufrieden und eigentlich durchgehend gut gelaunt. Es fühlt sich gar nicht an, als ob es ihr schlechter geht als in den letzten Jahren, wo sie alleine gelebt hat und völlig selbständig war, das ist schon verrückt.
Ich bin mit der Pflege weiterhin sehr beschäftigt (und spüre, dass die Pflege meine Kreativität stark dämpft), Monika ist ja völlig abhängig. Ich werde von Nicoletta, Michi und Elke unterstützt und wir hoffen und sind zuversichtlich, dass noch mehr Leute dazukommen - ich habe für den Sommer ja auch eine mehrmonatige Reise in die USA geplant. Erst vorgestern haben Michi, Nicoletta und ich festgestellt, dass wir uns vorstellen können, dass Monika trotzdem hierbleiben kann - wow.

ABER - das eigentlich Spannende für mich ist gerade noch was ganz anderes, und zwar der Gemeinschaftskurs, an dem in diesem Jahr - drei Jahre nach meinem eigenen Gemeinschaftskurs - meine Freundin J. teilnimmt, die momentan noch woanders in einer kleinen Gemeinschaft lebt und dort studiert und deren Ausbildung sie nächstes Jahr von dort wegführen wird. Ich hatte keine Ahnung, wie sie auf die geballte Ladung Sieben Linden reagieren würde, die sie im Gemeinschaftskurs geboten kriegt, ob ihr das viele Singen und die Gruppenarbeit "zu spiri" sein würden oder was auch immer, aber tatsächlich hatte sich bei ihr schon nach der ersten Woche ein "ja" zu Sieben Linden herausgebildet, auf das ich nicht zu hoffen gewagt hätte. Ich hatte mich immer irgendwie warm angezogen, wenn's um dieses Thema ging, so á la "ich werde mit ihr auf jeden Fall erst nochmal weg müssen aus Sieben Linden, und im besten Fall hat sie dann eines Tages auch Lust auf diesen Ort". Jetzt kommt es vielleicht ganz anders und vielleicht lebe ich bald mit meiner Freundin in derselben Gemeinschaft und vielleicht vermehren wir uns dann sogar...


Der Gemeinschaftskurs beim Chillen am ersten Frühlingstag - 18.3.2010

Das hat sich jetzt in 10 Tagen so entwickelt und ich fühle mich ein bisschen wenig begleitet damit, was das eigentlich für mich heißt (im Gegensatz zu ihr, die ihre Entwicklung ja im Gemeinschaftskurs teilen kann). Vielleicht/sicherlich/schließlich bedeutet das für mich ja auch ein bisschen mehr als "Hurra, jetzt können wir immer zusammen sein". Es ist noch nicht mal so, dass ich irgendwie Angst hätte vor der neuen Situation, aber ich merke schon jetzt, wie ihre Gedanken und Gefühle für Sieben Linden mich dazu bringen, meine eigenen Positionen zu reflektieren und auch kritisch zu sehen. Wo bin ich denn zum Beispiel erfolgreich in Gruppen engagiert in Sieben Linden? Wo bin ich denn konstruktiv in Gemeinschaftsprozessen? Ich mache zwar ein paar wichtige Dinge in der Gemeinschaft, aber so richtig das Gefühl, groß und stark hier zu sein, kommt nicht so recht auf. 

Einmal saßen wir schon zusammen im Großforum (Gemeinschaftskurs+Gemeinschaft) und da hatte ich das Gefühl, dass eine Gemeinschaft vielleicht sogar ein ziemlich guter Ort ist, um eine Zweierbeziehung zu leben, sie wachsen und begleiten zu lassen. Ich habe auch immer wieder beobachtet, wie Paare auch Zeiten alleine brauchten und wie glücklich sie manchmal waren, nach einer Zeit in Gemeinschaft mehrere Monate zu zweit bzw. mit Kind in einer Stadt zu leben. Aber das Feld ist gut, und auf jeden Fall bekommen ich und mein Wachstum in (gemeint ist: "meine Auseinandersetzung mit") Gemeinschaft neuen Schwung dadurch, dass meine Liebe hier auch in den Organismus Ökodorf Sieben Linden einsteigt, wie eng/verbindlich/bewusst/nachhaltig er auch sein mag.

17. Oktober 2009
Ich erlebe gerade etwas sehr Aufregendes, Aufwühlendes und Neues in meinem Ökodorf. Ich habe am 13. Oktober meine pflegebedürftige Mutter mit einem Krankentransport aus dem fernen Allgäu hierher geholt. Sie im letzten halben Jahr schon 70 Tage im Krankenhaus plus 5 Wochen in der geriatrischen Reha verbracht. Dazwischen wurde sie mehr oder weniger intensiv in der Wohnung versorgt, in der sie bislang alleine lebte. Was sie eigentlich hat, werde ich immer wieder gefragt - alles und nichts, muss ich da antworten. Vor einem halben Jahr war sie noch alleine im Urlaub. Danach fing der Schlamassel an. Zuletzt wäre die Alternative zu Sieben Linden nur noch ein Pflegeheim gewesen, obwohl sie wieder klar, sogar fröhlich war und rein körperlich gar nichts dagegen spricht, dass sie wieder vollkommen mobil wird.

Am 13. Oktober kam sie dann und wurde von fünf Trägern in ihr "Probewohn"-Zimmer im ersten Stock der Windrose verfrachtet. Sie freute sich sehr über all die freundlichen Gesichter, obwohl ich auch weiß, dass sie traurig darüber ist, anderen "zur Last zu fallen" und "nichts Nützliches bieten" zu können. Ich weiß aber, dass sie viel zu bieten hat und hoffe sehr darauf, dass sie mit unserer Unterstützung (Michi wird sie krankengymnastisch betreuen, Nicoletta und ich pflegerisch, Elke wird ärztlichen Rat geben können, vielleicht kommt noch jemand oder ein ambulanter Pflegedienst dazu) wieder beweglicher wird und es so richtig genießen kann, in Sieben Linden zu sein. Früher war ihr Leben so ziemlich das Gegenteil vom Ökodorf: Fernsehen und (Fleisch) essen mochte sie gern - das hat sie beides aufgegeben. Außerdem war sie meist alleine - das wird jetzt auch nicht mehr so sein. Momentan ist sie wieder/noch im Krankenhaus in Salzwedel, aber bald wird die Klinikparade hoffentlich vorbei sein.

Ich bin gerade sehr froh darüber, dass meine Mutter in meiner Nähe ist und dass es die Möglichkeit gibt, sie in der Windrose wohnen zu lassen. Wie großherzig: Mit viel Mühe ein tolles Haus zu bauen, in dem WG gelebt wird, und dann eine Fremde dort mitwohnen lassen, die krank im Bett liegt. DANKE!!
Ich stoße mit dieser Pflegegeschichte an ungekannte Grenzen, aber jetzt verbindet mich die neue Aufgabe auch mit dem Ort hier - der Kontakt zu meinen Mitbewohner_innen ist schön, die Anteilnahme ist ehrlich, ich bekomme Hilfe, Verständnis und Unterstützung - wieder mal verblüfft mich der Ort mit seinen/ihren Menschen. Wie es weitergeht, ist offen - es lässt sich wirklich kaum was planen, immer wieder ergibt sich komplett Unvorhergesehenes, wie z.B., dass sie nach anderthalb Tagen hier schon wieder ins Krankenhaus musste. Es sieht aber so aus, als ob unsere Gemeinschaft in der nächsten Zeit eine Nase mehr zählt, auch, wenn die nicht voll am Gemeinschaftsleben teilhaben kann. Ich werde demnächst mal wieder meinen Dokumentarfilm "Schnee von gestern" hier vorführen, in dem meine Mutter noch gesund und tatkräftig zu sehen ist. Und dann kann ich am Ende sagen, dass die Frau mit dem selbstgebastelten Anti-Autobahn-Transparent aus dem Film zur Zeit oben in der Windrose wohnt und gern besucht werden kann...




Standbilder aus "Schnee von gestern"

5. Oktober 2009
Ja tut mir leid, ES GEHT GERADE NICHT! Ich würde ja gern an diesem Blog weiterschreiben und ich würde auch gern wieder "Geschichten aus Sieben Linden" verfassen (siehe http://www.siebenlinden.de/content.php?p=9961), aber ich bin gerade zu schwach, unentschlossen und verwirrt dazu. Ich habe auch keine Digitalkamera, um Bilder von der Herbstkälte (vorgestern), Herbststürmen (gestern) oder der Herbstsonne (heute) zu machen. Und ich trau mir gar nicht zu, diese Sieben-Linden-Stimme zu sein. Ich war während des EDE-Kurses nicht in Sieben Linden, zu dem 30 internationale Gesichter mit den dazugehörenden Körpern durch Sieben Linden gestreift sind und ich war auch während des Autumn-Leaves-Festivals nicht da. Meine Mutter ist krank und deswegen musste ich immer wieder ins Allgäu fahren und habe hier so wenig mitbekommen. Ich habe einfach wenig Kraft und Begeisterung, oft wünsche ich mir sogar mehr Gemeinschaft (sic!), aber ich komme gar nicht aus meinen eigenen Strukturen und meiner Lähmung heraus, um mal ganz andere Sachen zu machen oder beispielsweise mal eine Waldbauwoche in Sieben Linden mitzumachen. Dazu kommt, dass mir wichtige Leute das Dorf wieder verlassen bzw. gar nicht erst hier angekommen sind. Der Think-Tank im Martinelly-Wagen (s.u.) existiert nicht mehr. Also danke für die freundlichen Aufforderungen und Wünsche nach Texten von mir; die kommen auch aus mir selbst, aber im Moment geht es gerade nicht. Vielleicht bekomme ich ja wenigstens mal wieder eine Kamera zu fassen und kann ein paar Fotos machen...

16. Juni 2009
Also, 2009 wird dann doch eins dieser ganz großen Jahre gewesen sein... Jedenfalls passieren wunderbare Dinge. Der Martinelly-Wagen ist mit seinem exklusiven Bauwagenpodestsofa ein Treffpunkt ganz besonderer Menschen geworden, und ich in meinem Zimmer gleich daneben bin so was wie der ewig arbeitende, gern auf einen kurzen Schnack sich dazusetzende Hausherr, der sich dann wieder hinter die Glastür an seinen Computer verzieht. Seit mein Bauwagenvermieter Volker seine Riesenmöbel abgeholt hat, ist mein Bereich im Wagen luftig und gemütlich. Klar, man müsste sooo viel machen an diesem Wagen, bevor der Winter kommt, aber das Nötigste passiert auch so.

In Sieben Linden zu sein ist gut. Sieben Linden ist nicht DER Ort, das wird mir bewusst, wenn Menschen sich entscheiden, doch wieder woandershin zu ziehen - wegen der Liebe oder weil sie doch mal was ganz anderes probieren wollen oder weil sie mehr Tiere um sich haben wollen oder warum auch immer. Der Abschied ist immer bewegend und es bleibt immer viel Verbindung. Sieben Linden ist EIN Ort, an dem für ein Dorf im platten Sachsen-Anhalt stets atemberaubend viel passiert und in dem es wahnsinnig viel zu lachen gibt. Ein starker Ort mit wunderbarem Essen. Auch der Regen und die Sonne und die Sterne sind hier, hihi, "voll in ihrer Kraft".

Ich kann hier gerade ganz gut sein mit meinen verschiedenen Jobs, ich verdiene genügend Geld, um nach und nach meine Genossenanteile zu bezahlen - aber da kommt auf einmal eine neue Entwicklung daher. Nämlich, dass es mir nicht reicht, mich hier einigermaßen unterhalten zu können. Weil ich nicht langfristig allein arbeiten will und nicht mehr ewig hoffen möchte, dass sich eines Tages in meinen Bereichen (Medien, Film, Dramaturgie) jemand zu mir gesellt, der/die mit mir die entsprechende Unternehmung auf die Beine stellt. Ich merke jetzt vermehrt, dass es schon Leute gibt, mit denen ich was zusammen auf die Beine stellen will, die aber keine Medienheinis sind (womöglich verstehe ich mich deswegen so gut mit ihnen). Nicht nur will ich mit denen arbeiten; ich will vor allem, dass sie überhaupt in meiner Nähe bleiben können, und Sieben Linden bietet noch viel zu wenig Perspektiven, hier so zu arbeiten, dass wenigstens genug Geld für den Lebensunterhalt und ein bisschen Dorfaufbau reinkommt. Also denke ich in viele Richtungen - was könnte man aufziehen, gründen, sich ausdenken, womit können wir wirken, Geld verdienen, wachsen. Einige Ideen für wirtschaftliche Grundlagen würden sich außerhalb von Sieben Linden abspielen, obwohl ich damit nicht verbinde, Sieben Linden richtig zu verlassen. Ich will diese Basis hier, aber es ist wohl realistisch sich damit anzufreunden, an anderen Orten, wo mehr Publikum, Kunden, landschaftliche Attraktionen, Nachfrage ist, irgendwas aufzubauen - eine kleine geile Firma. Die ersten Brainstormings haben begonnen (siehe Think Tank, unten)... Bei der Gelegenheit: Investieren Sie in unser Unternehmen! Bald wissen wir auch, worum genau es sich handelt. Immerhin können wir jetzt schon versichern, dass es die Idee nachhaltigen Lebens weiterbringen wird :-)!

11. April 2009

Martinelly ist nicht nur mein Zuhause, WG-Küche und Stützpunkt unseres Wagenkreises, sondern: Thinktank. Und zwar ein Thinktank neokulturtraditioneller Ausrichtung. Das hat noch gefehlt. Hier entstehen schwer wiegende Ideen und Konzepte, die sich die Politik mal besser zu Herzen nehmen sollte, weil sonst ist sie nämlich echt ganz schön selbst schuld. Herr Heeren und meine Wenigkeit, Herr Würfel, erdenken hier nachhaltige Antworten und Fragen zu allen erdenklichen Themen.

Wir sind unparteiisch und überpolitisch und immer für eine Überraschung gut. Kunst liegt uns am Herzen. Aber wir reden nicht nur. Wie haben den Martinelly an die Wasserversorgung angeschlossen und planen den Bau einer Terasse sowie von Sitzmöbel. Außerdem ist ein Beet entstanden und am Karfreitag wurde die Westfassade des Wagens von Algenschmodder befreit.

Ideen umsetzen und erdenken, dafür sind wir Ihr zuverlässiger Partner. Behalten Sie uns im Blick!

22. Februar
Was habe ich letzte Woche so gemacht? Meist gibt's was Bezahltes am Schreibtisch zu tun für mich - Übersetzungen oder die Arbeit am eurotopia-Gemeinschaftsverzeichnis. Dann schau ich, dass ich ab und zu zum Filmemachen komme - das ist schwer, damit verdiene ich kein Geld und ich ackere immer noch dafür, meinen finanziellen Beitrag zum Ökodorf aufzubringen (wir richten uns ja nicht nur gemütlich hier ein und halten Händchen, sondern investieren und bezahlen die Pflanzenkläranlage und den Holzladewagen und das Land usw...). An einem Morgen dieser Woche habe ich ein Stündchen an der neuen DVD gearbeitet, die ich dieses Jahr über Sieben Linden rausbringen möchte - mit dem Klassiker "Leben unter Palmen" drauf und einigen Ergänzungen.

Dann mach ich eigentlich an jedem Tag irgendwas draußen (Joggen, Spazieren, Kompostarbeit oder was für den Wagenkreis, den ich seit Weihnachten mit meiner neuen Bande gegründet habe - siehe Bild)

und oft ist dann noch ein Sieben-Linden-Termin (Forum oder ein Treffen wegen der Umgestaltung der Website oder ein Vorstellungsabend oder Computersprechstunde) und in der Freizeit treffe ich mich dann mit besonders netten Mitbewohner/innen (Sauna, Tee, Film) oder räume auf oder lese.
Ja, wenn ich mal meine schwankenden Befindlichkeiten außer Acht lasse, kann ich das als menschenwürdigen Alltag durchgehen lassen. Die reine Freizeit ist knapp, aber zugegebenermaßen liegt das daran, dass Teile der Freiteit einfach von vornherein mit Schönem verplant sind (Kino, Sauna, Mittagspause). Ich hätte so gern keine Geldverdiennotwendigkeit, dann hätte ich Zeit, mir schöne Dinge einfallen zu lassen und sie zu tun.
Vielleicht wäre ich auch nur fauler und würde mehr lesen.
Generell ist der Winter schon wieder mal hart. Kalt und trist. Keine Zeit, Sieben Linden zu besuchen, würde ich sogar sagen. Da müssen wir alleine durch. Aber wie gesagt: Mit dem richtigen Tagesablauf ist das zu schaffen.

Das wollte ich jetzt einfach mal so erzählen. Weil das Leben nämlich nicht am 25. November, am Datum des letzten Eintrags, zu Ende war.

25. November
Vielleicht bleibt das ja jetzt so. Seit über einem Monat bin ich einfach nur gern in Sieben Linden, nachdem es doch sonst immer so auf und ab ging. Wahrscheinlich wäre es voreilig zu denken, dass nach einem Jahr die Verwandlung zum Gemeinschaftswesen vollzogen wäre. Mit ziemlicher Sicherheit ist sie es nicht. Aber ich will diesen Text, der doch mein Ankommen dokumentieren soll, auch nicht so stehen lassen, in der Erwartung, dass es bald wieder grundlegende Erkenntnisse zum Gemeinschaftsleben gibt. Weil, möglicherweise tut sich da demnächst nicht viel. Ich werde wieder kleine oder große Krisen haben, aber ich werde mich trotzdem immer mehr zu Hause fühlen in Sieben Linden. Und nachdem Gemeinschaftsleben nicht mehr das Neue für mich sein wird, gibt es dann andere Erkenntnisse, und die gehören dann nicht in diesen Blog.
Wenn ich die letzten Male weggefahren bin, dann habe ich mich nie allzusehr darüber gefreut. Am liebsten wäre ich einfach hier geblieben. Da gibt es so viel Schönes - ich habe mir eine Liste geschrieben mit Dingen, die mir in Sieben Linden gefallen; die ist richtig lang geworden. So arbeite ich mit am neuen eurotopia-Gemeinschaftsverzeichnis, das wir hier herstellen und herausgeben. Eine schöne Mischung an technischer Herausforderung (ich habe viel mit Datenbank- und Computerproblemen zu tun) und Kommunikation mit Gemeinschaftsprojekten in aller Welt. Dann bin ich Pate von Claudia aus Honduras, die in Sieben Linden ein Auslands-FÖJ absolviert. Das ist wunderbar - ihre Sicht auf unseren Organismus. Sie sollte mal einen Blog schreiben...
Wenn ich kontinuierlich hier bin, bekomme ich auch die Zeit im Griff. Bis jetzt. Zuletzt bin ich in einen Rat gewählt worden. Ich fühle mich geehrt. Um das einzuordnen: Im neuen Entscheidungsmodell entscheiden (von 85 Erwachsenen am Platz) 25 Menschen in 5 Räten weitgehend autonom - vorher musste alles auf die Vollversammlung.

Ich schaffe es gerade recht oft, das, was ich gerade tue, zu genießen. Anstatt die Arbeit zu machen, um danach die nächste Arbeit von der Liste anzufangen. Wenn ich das abstrahiere, kommt so was heraus: Ich versuche, all das, was ich tun muss, dem Erleben des Moments unterzuordnen. Dass ich gerade lebe, soll immer wichtiger sein, als das, was ich gerade mache oder machen muss. Ich weiß auch nicht, woran es liegt, aber möglicherweise ist es der eurotopia-Job, der ein Geldverdienen dicht am Gemeinschaftsthema ermöglicht. Möglicherweise liegt es auch daran, dass ich gerade kaum DVD-Geschichten übersetze. Ich ahne schon lange, dass das nicht wirklich gut fürs Hirn ist, dieses ganze Pseudoleben, das da beim übersetzen durch meine Finger geht. Was Beziehungen angeht, ist auch eine schöne Wachheit da - ich komme mir jedenfalls nicht allein und ungeliebt vor. Und wenn ich dann mal unterwegs bin, kann ich andere Orte auch genießen. Eine Angst, die ich bezüglich eines Lebens in Sieben Linden hatte, war immer, vielleicht nicht mehr kompatibel zur Stadt zu sein, wenn ich erst dort wohne - auf der Insel Ökodorf. Ein Jahr später laufe ich entspannter durch die Stadt als je zuvor. Und komme mit meinen Städterfreunden immer noch gut aus. Die Angst verschwindet...

Neue Texte von mir gibt es, auch wenn sich hier demnächst nicht viel tut, monatlich auf www.siebenlinden.de.

23 Oktober
Ein paar Tage habe ich mich jetzt mit dem Gefühl abgeschleppt, dass mein Leben im Ökodorf mich möglicherweise nicht so recht weiterbringt, dass ich nicht die Beziehungen habe, die ich brauche, und nicht die Projekte verwirkliche, die ich verwirklichen könnte und sollte.
Und dann wache ich heute um 13.59 (digital watches - a pretty neat idea!) von meiner Siesta auf, vor dem Bauwagen, in der Sonne, auf der Decke im Gras, unter einem Federbett, und ich will mich gerade wieder die oben stehende Leier ein-denken, da kommt mir plötzlich was ganz anderes in den Sinn. Nämlich:
Ich hab's geschafft!
Ich habe ein gutes Dach über dem Kopf, Bett, Ofen, Schreibtisch, Internet; frische Luft und super Essen den ganzen Tag, lauter nette Nachbarn, keinen Lärm; und 300m weiter habe ich sogar Freunde, zu denen ich gehen kann und mit denen mich eine gemeinsame Zukunft erwartet. Ich bringe meine bescheidenen Talente in dies Gruppe ein und kann mir meinen Lebensunterhalt verdienen (habe gerade eine Übersetzung reinbekommen). Und falls das sonst niemanden interessiert, habe ich es jetzt wenigstens für mich aufgeschrieben.


Ich, in Präsidentenstimmung.

22. Oktober
Eine Bekannte hat mich gefragt, ob man in Gemeinschaft "ständig angereizt sei" von den anderen, weil man sich immer so nahe kommt. Sie hat das so im sexuellen Sinn gemeint. Ich sage: Ja. Allerdings. Und auch, wenn es oft aufregend ist, es nervt auch.
Es gibt natürlich feste Paare, aber es gibt auch Paare, die nicht so fest und exklusiv zusammen sind und es gibt auch Menschen, die nicht als Paar organisiert sind. Das ist natürlich überall so, aber wir haben hier ja schon viel Kontakt, sehen uns oft, sind uns nah. Und da ist dann die ausschließliche Zweierbeziehung gar nicht unbedingt das Üblichste. Dadurch gibt es alle möglichen "Geschichten" und auch viele verwirrende Gefühle und auch Leid und Eifersucht. Hier mal kuscheln und sich dann fragen, ob das jetzt was bedeutet; dann da beobachten, wie sich zwei kennenlernen und selber nicht dabei sein... Das Thema "anreizen" wird uns beschäftigen bis ins Grab, befürchte ich. Was daran nervt, ist der gewisse Stress, den die theoretisch vielen Möglichkeiten verursachen. Da wünsche ich mir doch, fest zu wissen, woran ich bin. Das würde für eine feste Beziehung sprechen; aber selbst, wenn ich die hätte, ich würde immer wieder in Versuchung geführt.
Meiner Meinung nach fehlen unserer Beziehungskultur noch wesentliche Bausteine. Zum Beispiel könnten wir versuchen, zwei Menschen, die es als Paar versuchen wollen, in Ruhe zu lassen - nicht in Versuchung zu führen. Dann sollten wir natürlich alle lernen, entspannt mit den Reizen umzugehen, die auf uns wirken - als etwas Schönes, das uns auch gefallen darf, wenn es keine Berührung gibt. Ich bin da noch so weit weg. Ich komme nicht gut klar damit, dass andere Männer mit Frauen zusammen sind, in die ich mich auch verlieben könnte, und auch nicht damit, dass mich Frauen reizen, mit denen mich gar kein besonders großes persönliches Interesse verbindet, und auch nicht damit, dass ich manchmal alleine bin, wenn andere es offenbar sehr schön miteinander haben. Das ist zwar manchmal auch toll und aufregend und viel spannender als in der viel gemäßigteren Mainstream-Kultur, aber so fühlt sich eine Klassenfahrt auch an und dann ist man trotzdem ganz froh, wenn man wieder zu Hause ist...

20. Oktober
***Huch! Ich habe gerade gemerkt, dass ich unter "Kontakt" eine seit Monaten tote Adresse stehen hatte. Äh - wollte sich jemand melden? bitte hier.

6. Oktober 2008
Es ist Abend, es ist dunkel, es ist frisch, es ist Oktober, Nebel wabert über das flache Land, der Mond schaut hinter Wolken durch, in den Nachbardörfern kläffen Hunde. Ich komme vom Abendessen, laufe zu meinem Bauwagen, der am Rand des Dorfes steht. Ich habe mal wieder verpasst, mich für den Abend zu verabreden, ich dachte, ich müsste was übersetzen, das hat sich dann doch erledigt, in der Bibliothek wird ein Film gezeigt, der mich nicht interessiert, wird das ein trauriger, einsamer Abend?
Ich beschließe, einen Spaziergang zu machen. Danach gibt es genug zu tun, Mails beantworten, lesen, Enterprise gucken, noch ins Büro zu Volker. Glücklich werde ich heute Abend wohl nicht mehr, aber irgendwie kriege ich die Zeit bis zum schlafen Gehen schon erträglich vorbei.
Eins glaube ich ja gelernt zu haben: Die Aufgabe ist, alleine klarzukommen, nicht das Zittern zu bekommen, weil ich mich einsam fühle. Da ist es hilfreich, ein bisschen raus zu gehen, auch, wenn das erst mal nicht allzu einladend ist.
Und es wirkt. Erst fühlt es sich noch an wie Zeitverschwendung, dann fange ich an zu denken. In zwei Tagen werde ich in die Genossenschaft aufgenommen. Die Probezeit ist vorbeigegangen, ohne dass ich allzu oft in diesen Blog geschrieben hätte. Ich werde volles Mitglied der Gemeinschaft, habe über zwei Drittel Ja-Stimmen für meine Aufnahme bekommen, mein Freund leiht mir Geld für die Genossenschaftsanteile - dann gehört mir Sieben Linden auch.
Mein Pate Olaf hat mich gefragt, was ich mir für die feierliche Genossenschaftsaufnahme wünsche. Mir ist nichts eingefallen. Ich hab's ja nicht so mit feiern; wenn ich weiß, übermorgen ist Party, dann bin ich übermorgen garantiert schlecht drauf. Beim Spaziergang ist mir dann was Passendes eingefallen. Weil ich ja immer etwas melancholisch werde, wenn es was zu Feiern gibt, könnte ich einladen, nach der offiziellen Aufnahme mit Fragen an mich und Aufstellung und Kreis noch ein bisschen herumzuliegen und traurige, schöne Musik dazu anzuhören - Peter Gabriel oder Mike Oldfield. Die Idee gefällt mir.
Ich schaue in den Mond und freue mich über meine Bewegung in der Nacht. Als ich wieder zurück ins Ökodorf gehe, sehe ich es mit etwas anderen Augen - weil ich doch bald richtig dazugehöre. Ich sehe die erleuchteten Fenster des Seminarraums, in dem wir heute Vormittag saßen und ganz diszipliniert aus vielen verschiedenen Meinungen eine Entscheidung zum Standort des künftigen Seminarhauses getroffen haben. Ich habe in die erleuchtete Küche gesehen, wo jemand das Abendessen weggeräumt hat. Ich bin dort vorbeigelaufen, wo das erwähnte neue Gebäude errichtet werden soll, habe den Traktor passiert ("auch mein Traktor"), habe Terry gesehen in ihrer Wohnung und das Licht in Koshas Wohnung (Martin hat mir erzählt, dass er sie heute Abend besucht). Irgendwie fand ich das ganze Projekt "wir bauen uns ein richtig gutes Dorf" doch wieder sehr geil. Mit all den Leuten, die doch irgendwie ein bisschen dasselbe wollen und bereit sind, zu tolerieren, wofür sie selbst nicht stehen.
Und als ich dann wieder in meinem Bauwagen saß, war ich dann richtig gut gelaunt. Ich habe meine Aufgabe erfüllt heute Abend. Und ein Gedanke schwirrt in meinem Kopf: Ich bin hier genau richtig.

31. August 2008
Das Konzept des Ökodorfs sieht vor, dass sich innerhalb der großen Dorfgemeinschaft, die einmal 300 Menschen umfassen soll, kleinere Gemeinschaften bilden, die sogenannten Nachbarschaften. In den Nachbarschaften finden sich Menschen, die sich mögen und Lust auf verbindlichere Gemeinschaft haben, und die vielleicht speziellere Interessen miteinander teilen und sich dadurch von den anderen Nachbarschaften unterscheiden. Die Nachbarschaften gestalten ihren Raum (auch ihren Wohnraum) auf dem Gelände von Sieben Linden selbst.

Ich finde dieses Konzept ganz toll, denn obwohl ich mich schon in der Gesamtgemeinschaft von Sieben Linden wohl fühle, freue ich mich darauf, mit ein paar Leuten noch tiefer einzusteigen. Ich stelle mir das so vor, dass ich mich mit diesen paar Leuten noch besser verstehe als mit dem Durchschnitt der Gesamtgemeinschaft - dass wir beruflich und künstlerisch zusammenarbeiten, einen kompatiblen Humor haben und so manchen Konsens über Kultur und Alltag finden, der weder in der Mainstreamgesellschaft noch in der Gesamtgemeinschaft von Sieben Linden üblich ist. WAS GENAU STELLE ICH MIR DA VOR? ist eine Frage, die dabei aufgeworfen wird. Dazu komme ich später. Es gibt nämlich noch andere Fragen. Und vor allem eine ganz andere Realität. Während ich nämlich mit den Nachbarschaften auf ein Leben in Gemeinschaft hoffe, in dem wir unsere Häuser bauen und unsere Leben miteinander teilen, kommt es ganz oft vor, dass ich doch stattdessen allein in meinem Bauwagen hocke und darüber nachgrüble, wie es zu diesen Nachbarschaften und vor allem - zu meiner Nachbarschaft - denn kommen könnte. Obwohl ich hier so viele Menschen mag, habe ich keine Ahnung, wie ich mich mit denen zu einer Nachbarschaft zusammenschließen soll. Ich habe noch nicht mal eine Gruppe, mit denen ich regelmäßig zusammen frühstücke. Woran hakt's? An den Leuten? Daran, dass sie nicht wollen?

Es ist ein Problem, wenn ich ich mir etwas ausdenke und dann "nur noch" die richtigen Leute dazu brauche. Das funktioniert immer nicht. Deswegen versuche ich zu vermeiden, jetzt eine Nachbarschaft auszurufen und mich dann zu ärgern, dass keiner kommt. Obwohl ich den potenziellen Nachbarschaftsnamen "Seeblick" doch schon das eine oder andere Mal gestreut habe. Ich bin halt auch ungeduldig.
Wenn ich also nicht einfach vorangehe, wie soll es dann passieren? Meine engsten Vertrauten in Sieben Linden haben entweder ihre eigenen Vorstellungen von ihrer Nachbarschaftskarriere, können sich noch nicht recht entscheiden, sind noch ganz jung und planen überhaupt noch nichts, sind zu beschäftigt für Nachbarschaftsgedanken oder sonstwas. Es bleibt praktisch keine/r übrig, derdie jetzt mit mir Nachbarschaft plant. Nach unseren Statuten kann eine Nachbarschaft sowieso nur von mindestens 3 Genossenschaftsmitgliedern "ausgerufen" werden, und das bin ich ja selbst noch nicht (ich befinde mich noch in der Probezeit).

Das hat mich auf die Idee gebracht, statt in eine Nachbarschaft lieber erstmal in eine offenere Gruppe einzuladen, in der sich Menschen mit vielleicht grob ähnlichen Visionen und Vorstellungen versammeln, die sich vielleicht gern mal regelmäßig trifft, in der jede/r unabhängig vom Bewohnerstatus in Sieben Linden teilnehmen kann und aus der vielleicht einst mal eine Nachbarschaft hervorgeht. WIE FINDET SICH DIESE GRUPPE?

Das ist jetzt die nächste große Frage. Hinweise bitte direkt an mich...

3. Juli
Voll super gerade hier. Heiß und schön und frei und fröhlich. Aber das schreibe ich ja jetzt immer schon auf der Sieben-Linden-Seite. Der Sommer ist halt nicht so eine Zeit für Reflexionen. Ich bin froh, dass ich gerade viele schöne Sachen zu tun habe und tagsüber nicht nur in meinem heißen Bauwagen sitzen muss, sondern in mein Atelier im Nachbardorf Poppau radeln kann. Da arbeite ich an diversen Filmen - neuerdings, dank Ella, die mich besucht hat, auch an einem Update von Leben unter Palmen. Das wird aber noch dauern, bis das Filmchen fertig ist, andere Sachen gehen vor. Ich habe also nix Neues zu sagen, außer, dass ich sehr auf den Wellenreiten-Workshop gespannt bin. Siehe unten, "Kunst und Gemeinschaft". Und dann gibt's oben noch ein Bild, das Ella von mir gemacht hat. Die gute alte Kamera tut es immer noch...

---

"Kunst und Gemeinschaft"

21. Mai 2008

Heute Vormittag überlegte ich mir, dass ich vielleicht ein paar Lebensziele brauche. Ich dachte mir nämlich, dass ich dann meine ganzen Ideen und das, was ich alles gerne machen würde, ganz einfach an diesen Zielen ausrichten könnte. Ich würde mich konzentrieren und nicht hier was tun und da was tun und hierhinfahren und den da besuchen - ich würde meine Zeit nicht mit Sachen verschwenden, die mich nirgendwohin bringen. Stattdessen wäre ich irgendwann dort, wo ich hinwill. Eine gute Idee. Ich könnte mir sogar verschiedene Ziele aufschreiben und das, was ich jeweils dazu tun müsste. Dann könnte ich wählen, wo ich hinwill bzw. was mir am Liebsten ist. Und ich würde mich am Ende meines Lebens nicht wundern, wenn andere Ziele eben nicht erreicht worden wären.

Ja, und dann ist der Tag so vergangen und abends hatte ich dann mal Zeit und bin über einen einsamen, zauberhaften Teil des Ökodorf-Geländes spaziert und hatte vor, ein bisschen über diese Ziele nachzudenken.

Und dann fiel mir nichts mehr ein, was Ziel sein könnte. Filme machen - joooaah. Ist jetzt nicht so wichtig, also, ist toll, macht aber letztlich keinen großen Unterschied, ob ich irgendwann mal viele Filme gemacht haben werde oder wenig. Ebenso ist es mit Kunst, obwohl es sicher nett wäre, wenn mal was zu sehen wäre und ich nicht immer nur darüber rede. Liebe, Familie, Freundschaft lässt sich kaum planen (man könnte höchstens planen, dass man das alles nicht will, aber das trifft für mich nicht zu und selbst dann kann was dazwischenkommen). Millionär werden! Das ließe sich planen, aber das dazu nötige Leben habe ich wahrscheinlich bereits verworfen. Immerhin würde ich den Filmpreis für "Schnee von gestern" nicht ablehnen und außerdem übersetze ich immer sehr fleißig.

Ich dachte, ich könnte Wolf fragen, der einigermaßen altersweise aussieht: "Ist eigentlich irgendwas wichtig außer der Moment?" Ich meine, jemand Älteren fragen, der müsste das doch wissen. Aber warum eigentlich? Weiß man das im Alter, ja? Dann würde ich ja davon ausgehen, dass ich mein Leben so gestalten muss, damit ich im Alter damit zufrieden bin. Ist doch Unsinn. Im Alter habe ich doch ganz andere Sorgen (das Alter nämlich), oder jedenfalls, es kommt doch nicht der Punkt, an dem ich meine Sammelkarte einlösen muss oder der Punktestand gezählt wird. Wenn man an nichts weiter glaubt, so wie ich, fehlt letztlich komplett die Siegerehrung, für die sich lohnen würde, dass ich mein Ziel erreiche. Mal abgesehen davon, dass mir vorhin keins mehr eingefallen ist.

Ich dachte manchmal, dass ich für meine Erinnerungen lebe; dass das Beste, was ich tun kann, das Ansammeln von Erinnerungen ist. Dann könnte ich (statt einem anständigen Ziel) wenigstens nach der Maxime leben, möglichst viel zu erleben und schöne Erinnerungen anzuhäufen. Aber dann habe ich sogar das verworfen, als ich auf dem großen Josberg (dem Berg im Süden von Sieben Linden) stand und in die untergehende Sonne gekuckt habe: Die schönen Erinnerungen, die ich schon habe, sind nämlich vielleicht gar keine Bereicherung, sondern eine Last - ich werde immer traurig, wenn ich an all die schönen Zeiten denke, die ich schon hatte. Und das wird sicher nicht besser, wenn ich dann mal alt bin und die schönen Erinnerungen nicht nur längst vergangen sind, sondern ich auch schon so unfit bin, dass ich das meiste davon gar nicht mehr nachvollziehen, geschweige denn übertreffen könnte.

Besser wäre also, nicht mal Erinnerungen anzuhäufen und stattdessen zu lernen, im Moment möglichst zufrieden zu sein. Und da stand ich schon ganz gut, auf dem Hügel in Sieben Linden, vor dem Sonnenuntergang, in meinem Amateur-Qi-Gong-Stand.
Und den Berliner Freund, der auch immer mit Schicksal und Zukunft und Leben hadert, den ich betreffs unserer Lebensziele anrufen wollte, werde ich heute Abend nicht mehr belästigen. Stattdessen werde ich in unsere Kneipe gehen und, wenn sonst keiner am Fernseher ist, an der Konsole eine Runde Autorennen spielen.

2.5.08
Ich will ganzheitlicher leben als zuletzt - da habe ich nämlich, von etwas Hausarbeit und Fahrradfahren abgesehen, fast die ganze Zeit vorm Computer verbracht. Jetzt bin ich in die Gemeinschaft ins Dorf aufs Land gezogen, wo viel mehr selbst gemacht wird und ich viel mehr verschiedene Sachen machen kann und muss. Damit das nicht so eine Monokultur der Tätigkeiten mehr ist.

Da mache ich auf einmal so viel mehr als vor dem Computer zu hocken - ich bin draußen und repariere den Zufahrtsweg und mache Kompost und räume auf und baue Sachen und helfe bei allen möglichen Dingen mit.
Und als ich gerade dabei bin, mir ein Zimmer in einem Altbau wohnlich herzurichten und gerade den neugekauften Teppich reinschleppe, obwohl das Weißeln nicht richtig toll geklappt hat und obwohl der Putz noch von den Wänden bröselt und ich auch schon beschlossen habe, auf die Fußleisten zu verzichten, damit ich endlich einziehen und alle die anderen Sachen machen kann, die ich vorhabe - da ertappe ich mich doch tatsächlich bei dem Gedanken, dass es vielleicht doch besser wäre, wenn mensch die Aufgaben ein wenig verteilen würde - wenn manche nur fürs Weißeln und andere nur fürs Fenster renovieren zuständig wären, das dann aber jeweils richtig gut machen würden. Ohne diese Ungeduld, die ich an den Tag lege, weil ich insgesamt noch so viel machen will.
Ich denke also eigentlich darüber nach, das wieder einzuführen, was ich gerade hinter mir lassen wollte.
Da denke ich mir, dass ich wahrscheinlich einfach voll auf Spezialisierung und Arbeitsteilung getrimmt bin. Ich habe das voll im Blut, seit Jahren. Ich bin ja so aufgewachsen. Und jetzt will ich zwar was anderes, "ganzheitlich leben", weil es sich so viel besser anhört und Sinn macht, aber ich komme gar nicht so schnell hinterher. Ich bin das gar nicht gewöhnt, viele Dinge selbst zu machen, und ich weiß gar nicht, wie man das organisiert, ohne bei jeder Sache ungeduldig zu sein und sich mit einem absoluten Minimum an Qualität und Zeitaufwand zufrieden zu geben. Weil doch die Arbeit nie zu Ende geht, wenn man sich für alles verantwortlich fühlt.
Das ist was, was ich lernen muss. Die Frage ist nur, von wem. Wer kann das denn?

7.10.07:
Ein bisschen bescheuert sind wir hier ja schon. Wir versuchen hier normale Leben weiterführen, in denen wir genügend Zeit für Beziehungen und Freunde haben und uns unseren Lebensunterhalt verdienen können - und dann wollen wir dazu ein neues Dorf aufbauen, mit Hausbau, Landschaftsgestaltung und allem, was dazugehört. Man stelle sich eine normale Familie vor, die ein Eigenheim "baut" - das bedeutet keine freien Wochenenden und keinen Urlaub mehr, die Kinder werden zu Bekannten gegeben und die Liebe muss auch erstmal warten. Das Bauen bedeutet auch hier eine Belastung, auch, wenn man hier auf das zweite Bad und den Carport verzichtet. Dafür versucht man ökologisch und mit regionalen Materialien zu bauen - dadurch wird's bestimmt nicht einfacher. Und die Finanzierung ist auch ein Problem: richtig gut bezahlte Jobs hat auch niemand.
Es geht aber noch weiter: Man braucht Zeit für die Gemeinschaft, für wichtige Entscheidungen. Die Analogie wäre, zusätzlich zu Job, Familie und Häuslebau in der Lokalpolitik aktiv zu sein. UND man will Vorbild sein, also lädt man ein: Seminare, Sommercamp, Tage der offenen Tür. Das heißt organisieren, betreuen, PUTZEN - natürlich alles ehrenamtlich. Dazu noch eine Fülle an Freizeitangeboten, jemand zeigt Dias, es läuft ein Film, Disco, Geburtstagsfeiern usw.
Kein Wunder, dass die Zeit sich knapp anfühlt.

9.3.08
Ich weiß immer noch nicht, wie das alles gleichzeitig gehen soll, was wir hier vorhaben, und ich weiß auch nicht, wo das Geld herkommen soll, um mir beispielsweise ein Haus zu bauen. Ich weiß aktuell noch nicht mal, wo ich demnächst wohnen will, weil die Eigentümerin meines Bauwagens angekündigt hat, dass sie ihn gerne wieder selbst bewohnen will. Ich mag die Leute hier immer noch, aber als V., eigentlich mein Nachbar, den Winter über nicht da war, und S., ein Neuzugang wie ich, mit seiner Frau beschlossen hat, wieder weiterzuziehen, wurde mir dann doch klar, dass ich hier eigentlich keine "Freunde" in dem Sinn von enger Verbundenheit habe. Und dazu noch keine Beziehung. Kein gemütliches Frühstück Sonntagmorgens zu zweit. Das alles fehlt. Und zwar sehr. Dabei wäre der Ort hier an sich ja absolut zukunftsfähig.
Wenn der Ort hier irgendwas ist, dann zukunftsfähig, würde ich sogar sagen.
Hier kann man sich gut vorstellen, wie alles immer besser wird. Dann fehlen also noch die beschriebenen engen Beziehungen. Oder die Leute dafür. Das wird eine Mischung aus Warten und Suchen. Derweil mache ich Notizen.